Verschlingen. Schmuck von Sophie Hanagarth

Datum: 
Sonntag, 29. Juni 2025 - 0:00 bis Sonntag, 18. Januar 2026 - 23:45
Sophie Hanagarth, Armschmuck „ORNEMENTAL or worms intimity“, Eisen, 2017 Foto: Graziella Antonini


Lippen, die Finger umschließen. Zähne, die in Handgelenke beißen. Zungenküsse aus dunklem, hartem Stahl. Der Schmuck von Sophie Hanagarth entzieht sich dem Eindeutigen, er ist geprägt vom Spiel mit Assoziationen. Der Künstlerin geht es nicht darum, Schmuck herzustellen, der als schön oder dekorativ angesehen wird. Mit ihren Arbeiten möchte sie Konventionen befragen, der Kraft von Ironie Raum geben und direkt sein. Ihre Arbeiten fördern Verdecktes an die Oberfläche, machen sichtbar, was oft unsichtbar bleibt. So bringen etwa French Kiss, Lipstick, Trap oder Family Jewels Intimität in Formen, die in ihrer Abstraktion erotische Andeutungen formulieren, Betrachtende neugierig machen. Es sind Arbeiten, die nicht nur visuell, sondern auch haptisch wirken. Während die hodenähnlichen Family Jewels aus Stahlnägeln oder Kronkorken keineswegs Handschmeichler sind, schmiegt sich Lipstick, trotz der eher opulenten Form, dem Finger an.

Das Verschlingen zieht sich durch viele Arbeiten von Sophie Hanagarth. Besonders deutlich wird dies an ORNAMENTAL or worms intimity. Als würden sie sich fressen wollen, ihre Körper nicht voneinander loslassen können, ranken ihre Formen sich zu einem Ornament. Sie verdeutlichen, wie Mehrdeutigkeiten den Schmuck von Hanagarth prägen. Ihr Werk bedient nicht das konventionelle Verständnis des Schmückenden, schon gar nicht die Erwartung von edlen Metallen. Es sind Kontraste, Humor, Provokation und die Beziehung von Schmuck zum Körper, die das Werk von Hanagarth durchdringen. Wenn etwa Ketten Assoziationen zu Peitschen zulassen oder eine Medaille als Addition aus kleinen Kötteln zusammengesetzt erscheint. Es sprechen subtil die Inspirationsquellen aus ihren Arbeiten. Sie kommen aus der Malerei, der Volkskunst, der Ikonografie und Sprache, von religiösen und magischen Objekten. Hanagarth formuliert eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit Mystik, Glaube, Begehren und Sexualität. So lassen ihre Arbeiten danach fragen, wie Schmuck zum Körper steht und welche Funktion Körpergefühl, Sinnlichkeit und Materialität dabei einnehmen.

Sophie Hanagarth arbeitet hauptsächlich mit Stahl, einem Material, dem Härte, Schwere und Beständigkeit zugeschrieben werden. Sie spielt mit diesen Zuschreibungen, setzt ihnen weiche, sich windende Formen gegenüber. Schmieden und Modellieren stellen die Grundlagen für ihren Arbeitsprozess, für den sie wenig Equipment benötigt.

Zitat Malte Guttek, Leiter des Deutschen Goldschmiedehauses Hanau: „Mit Sophie Hanagarth zeigen wir eine Künstlerin aus Frankreich, die sich durch ihr sensibles Gespür für das Zusammenkommen von Form, Material und Narration auszeichnet. Mit Humor und Tiefgang wendet sich Hanagarth ihren Arbeiten zu, die eine Vielfalt an Assoziationsräumen anbieten. Wir freuen uns, mit Sophie Hanagarth eine Künstlerin zu präsentieren, deren Werke neugierig machen und berühren.“

 

Sophie Hanagarth wurde 1968 in Zürich (CH) geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Goldschmiedin studierte sie bis 1995 an der École Supérieure d’Arts Appliqués in Genf (CH). Seit 2002 unterrichtet sie als Dozentin für Schmuck an der École Supérieure des Arts Decoratifs in Strasbourg (FR) und arbeitet als Künstlerin in ihrem Atelier in Paris (FR).

Ihre Arbeiten sind in zahlreichen Sammlungen vertreten, u.a. im CODA Museum Apeldoorn (NL), im Musée des Arts Décoratifs in Paris (FR), im Mint Museum of Craft and Design in Charlotte, North Carolina (US), im Museum of Fine Arts in Housten, Texas (US), im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (DE), im Schmuckmuseum Pforzheim (DE) und im Musée des Arts Décoratifs in Montréal (CAN). Sophie Hanagarth wurde 2014 mit dem Françoise van den Bosch Award und 2011 mit dem Herbert Hoffmann Preis ausgezeichnet.