Seit 2004 ernennt die Stadt Hanau alle zwei Jahre einen Stadtgoldschmied oder eine Stadtgoldschmiedin, der/die für einige Wochen in Hanau an der Staatlichen Zeichenakademie arbeitet und einen Workshop für die dortigen Schülerinnen und Schüler abhält. Die 9. Hanauer Stadtgoldschmiedin Isabelle Enders (*1979) aus Nürnberg wurde am 27. August von Oberbürgermeister Claus Kaminsky im Deutschen Goldschmiedehaus vorgestellt.
Mit der Auslobung der Stadtgoldschmiedin ist für die Ausgezeichnete eine Ausstellung im Deutschen Goldschmiedehaus im Jahre 2022 verbunden. Bisher waren vier Stadtgoldschmiede Rudolf Bott, Jiro Kamata, Karl Fritsch und Sam Tho Duong sowie vier Stadtgoldschmiedinnen, Hilde De Decker, Vera Siemund, Tabea Reulecke und Silvia Weidenbach in Hanau zu Gast. Neben dem Ludwig-Emil-Grimm-Preis, dem Brüder Grimm Preis und dem Paul Hindemith Preis gehört die Ernennung eines Stadtgoldschmieds oder einer Stadtgoldschmiedin zu den großen Auszeichnungen, die Hanau regelmäßig vergibt.
Die Auslobung der Stadtgoldschmiedin ist ein Projekt, das erst durch die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Hanau, der Gesellschaft für Goldschmiedekunst und der Staatlichen Zeichenakademie möglich geworden ist. Die Stadt stellt finanzielle Mittel in Höhe von 15.000,--€ zur Verfügung, die Organisation des Projektes und der Ausstellung liegen in den Händen der Gesellschaft für Goldschmiedekunst, die Staatliche Zeichenakademie stellt ihre Werkstätten zur Verfügung und bietet der Stadtgoldschmiedin einen optimalen Arbeitsplatz.
Im August vergangenen Jahres wählte die Jury – Dorothea Förster, Goldschmiedin in Hanau, Martin Hoppe, Leiter der Abteilung Kultur / Museen der Stadt Hanau, Günter Kasper, Innungs-Obermeister des Main-Kinzig-Kreises, Benjamin Pfister, Kommissarischer Leiter der Staatlichen Zeichenakademie, Dr. Christianne Weber-Stöber, Leiterin des Deutschen Goldschmiedehaus sowie die 8. Hanauer Stadtgoldschmiedin Silvia Weidenbach aus London – Isabelle Enders zur Stadtgoldschmiedin des Jahres 2021.
Nach ihrer Ausbildung zur Silberschmiedin an der Berufsfachschule für Glas und Schmuck in Kaufbeuren-Neugablonz beschäftigte sich Isabelle Enders mit der Restaurierung von Kirchengerät und der Fertigung von silbernem Tafelgerät. Es folgte ein Studium in der Klasse für freie Kunst / Gold- und Silberschmiedekunst sowie ein Aufbaustudiengang Kunst und öffentlicher Raum an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Seit 2015 arbeitet Isabelle Enders als freischaffende Künstlerin und Lehrbeauftragte an der Akademie der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Seit 2010 ist die Künstlerin an nationalen und internationalen Ausstellungsprojekten beteiligt, zuletzt stellte sie ihr Schaffen im März im Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten München vor. Für ihre ausgefallenen Ideen zum Thema Produktgestaltung wurde Isabelle Enders unter anderem mit dem Bayerischen Staatspreis (2013), dem Danner Preis (2014) und dem Grassipreis (2018) ausgezeichnet.
Isabelle Enders hat sich als gelernte Silberschmiedin dem funktionalen Gerät verschrieben, ihre ganz besondere Vorliebe gilt der Pfeffer- und Salzmühle. Einem klassischen Alltagsgerät, das auch heute noch auf dem gedeckten Tisch oder in der Küche nicht fehlen darf. Die Künstlerin führt uns eindrucksvoll vor Augen, dass man aus dieser hinlänglich bekannten Gerätschaft eine ganze Palette von Kunstobjekten schaffen kann, die funktionieren. Da gibt es die Werkgruppe der Pfeffer- und Salzmühlen DOLORES, die durch außergewöhnliches Ornament und Farbigkeit auffallen und als 3-D-Druck entstehen. Isabelle Enders überlässt das Aussehen der Pfeffermühlen absolut nicht der Maschine, sondern greift ein, beeinflusst den Prozess, so dass ein jedes Objekt zu einem Unikat wird. Die Pfeffermühlen werden zu malerischen Bildträgern, die in ihrer Vielfalt kaum zu überbieten sind. Bei Pfeffer Marsch greift die Künstlerin auf ausgediente Badezimmerarmaturen zurück und verleiht diesen eine neue Funktion. Die Körper ihrer Mahlgeräte sind aus Messing gefertigt, zum Teil geschwärzt, lackiert oder pulverbeschichtet.
Die Pfeffermühlen von Isabelle Enders sind ganz unterschiedlich groß, vom kleinen Tischgerät bis hin zur Pfeffermühle für zwei Personen, die sich tatsächlich nur noch zu zweit händeln lässt, ist alles vertreten. Gelegentlich verlieren diese Gewürzmühlen jegliche Assoziation zur herkömmlichen Vorstellung der Produkte, die betont technoide Ausstrahlung der Mühlen Pfifferlinge lässt vielmehr an kleine Flugkörper oder Maschinenteile denken. Mit dem Gerät Unicorn will die Künstlerin auf die einstige Kostbarkeit des Gewürzes aufmerksam machen und uns für eine gewisse Sensibilität im Umgang damit gewinnen. Über diese „kleinen Skulpturen“ hinaus beschäftigt sich Isabelle Enders mit großen Installationen und Projekten, wie etwa Görlification, eine Intervention im öffentlichen Raum. Im Sommer 2021, zu Beginn der Sommerferien, wird Isabelle Enders nach Hanau kommen und sich zu neuer Kreativität inspirieren lassen.